Zauberella und das verbotene Haus (Serie)

Episode 6 - Der Anfang

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Der braune Riese blickte die kleine Fee an und sprach: „Vielleicht kann ich dir helfen, indem ich dir eine Geschichte erzähle. Und vielleicht wird uns dadurch offenbart, wer du eigentlich bist.“ Dann schaute der Baum wieder tief in den Wald und begann zu erzählen: „Es passierte alles zu einer längst vergessenen Zeit. Den Dunkelwald gab es noch nicht. Er war Teil des Feenwaldes. Genau, wie auch der Vergiss-mal-nicht-Wald zum Feenwald gehörte.“

Der Baum seufzte und schwelgte in Erinnerungen: „Ach ja, es war eine herrliche Zeit. Schmetterlinge tanzten durch die Luft und die Sonne strahlte den ganzen Tag auf meine Blätter. Die Feen sorgten für das Gute im Land und hielten das Böse fern.“

Erneut seufzte der Baum, doch dieses Mal sah er bedrückt dabei aus: „Hm, doch es sollte nicht so bleiben. Eines Tages nistete sich die Dunkelheit in den Tiefen des Waldes ein. Diese Finsternis war böse und mächtig. Mächtiger als alles, was die Feen bisher kannten. Und so riefen sie alle magischen Wesen auf, sich mit ihnen gegen die dunklen Kräfte zu vereinen. Auch wir Bäume sollten helfen. Doch wir hielten uns heraus. Die Feen kämpften tapfer, dass muss ich ihnen zugestehen. Aber selbst die mächtigsten magischen Wesen – die Einhörner, vermochten es nicht, die Dunkelheit aufzuhalten. So unausweichlich wie Dunkelbeerensaft ein weißes Leinentuch durchtränkt, so verbreiteten sich die dunklen Mächte und verschlangen Stück für Stück das Licht“

Der Baum machte eine Pause, als würde er überlegen, wie er am besten weitererzählen sollte: „Ach, es ist schon so lange her, wie war denn das nochmal?“ sprach er mit sich selbst. Dann holte er bekümmert Luft: „Ach ja, genau. Zu jener Zeit kam ein Fremdling in den Feenwald. Er bezeichnete sich selbst als Zauberer. Und ein Zauberer sollte die Erlösung sein. So stand es zumindest in den uralten Schriften. Die Feen brachten ihn zur leuchtenden Aureole.“

Bei dem Wort Aureole fiel Zauberella dem Baum hektisch ins Wort: „Da!“ rief sie nervös und zuckte mit dem Zeigefinger. „Da war dieses Wort schon wieder – Au…Auro…ach irgendwas mit ole am Ende. Was ist das?“

Der Baum starrte die kleine Fee an. In seinem Gesicht konnte man lesen, wie genervt er in diesem Augenblick von der hektischen kleinen Fee war: „Und ich sage es nochmal.“ Grollte er missmutig. „Du bist zu ungeduldig. Ich wollte es gerade erklären.“ Bei den Worten des Baumes schaute Zauberella verlegen auf ihre Füße. „Entschuldigung.“ Murmelte sie, setzte sich hin und war still. Doch selbst beim Sitzen rutschte die kleine Fee aufgeregt auf ihrem Po hin und her.

Der Baum war es leid Zauberella zu ermahnen und sprach einfach weiter: „Die Aureole ist eine leuchtende Kugel, die der größte Vorteil der Feen im Kampf gegen die Finsternis war. Sie verlieh den Feen die Macht starke Zauber schneller zu verstehen, um sie im Kampf gegen das Böse einsetzen zu können. Sie vereinte Zeit, Wahrheit und Gleichgewicht in sich und entschied selbst, wer sich als würdig erwies und wer nicht.“

Und wieder unterbrach Zauberella den Baum: „Hä? Zeit, Wahrheit, Gleichgewicht?“ fragte sie sichtlich verwirrt. „Was soll das schon wieder bedeuten?“

Der Baum stöhnte genervt und tätschelte den Kopf der kleinen Fee mit einem seiner Äste, während Zauberella eine Schnute zog und sich wegduckte. Dabei sprach er: „Sei beruhigt kleine Fee. Niemand versteht die Kraft der Aureole zur Gänze. Nichts desto trotz sollte der Zauberer seine Kräfte mit dem leuchtenden Quell verbinden. So wart es niedergeschrieben und so sollte es geschehen. Denn nur so sollten die Feen die Macht erhalten, die Dunkelheit auf ewig zu verdrängen.“

Traurig schaute der Baum die kleine Fee an. Er holte tief Luft und stöhnte: „Ach ja, ihr gutgläubigen Feen. Ihr wart nicht geübt in der Kunst der Täuschung. Ihr wart schon immer ehrlich und gut. Und so erkanntet ihr die Lüge nicht.“ Dann verdunkelten sich die Gesichtszüge des Baumes: „Im blinden Vertrauen auf das niedergeschriebene Wort führtet ihr den Zauberer zur Aureole.“ Sprach er weiter. „Doch statt seine Magie mit der Aureole zu verbinden, belegte er die leuchtende Kugel mit einem Bann. Fortan schöpfte er Kraft aus der endlosen Quelle. Jedes Mal, wenn ihr einen Zauberspruch erlerntet, wurde der Zauberer stärker und mächtiger. Zu spät erkanntet ihr den Betrug. Ihr hattet dem Zauberer alles gezeigt, was er wissen musste, um die Aureole zu stehlen.

Verblendet von Gier nach Macht schloss er sich schließlich der Dunkelheit an. Mehr noch sogar, er wurde ihr Herr und Meister. Es vergingen nicht einmal drei Monde und er formte aus der endlosen Kraft der Aureole den Dunkelwald.

In seinem neuen Reich war er mächtiger denn je. Trotzdem kämpften die ältesten der Feen gemeinsam mit den Einhörnern, Zwergen und Waldelfen gegen die dunkle Bedrohung. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die Finsternis zurückzudrängen. Sie schafften es jedoch nicht, sie gänzlich zu vertreiben. Zu stark war der dunkle Zauberer inzwischen geworden.“

Während der Baum weiter erzählte, verzerrte sich nach und nach die Umgebung der kleinen Lichtung. Erst langsam und dann immer schneller. Alles um Zauberella herum wurde trüb und verdunkelte sich. Aber es wurde nicht ganz dunkel. Es wurde alles in ein dunkles und undurchsichtiges rot getaucht. In dem dunklen Rot waren verzerrte Bilder zu erkennen, die nach und nach klarer und heller wurden. Was Zauberella da sah, war der Widerstand der Feen. Es lief wie eine Erinnerung vor ihren Augen ab. Zum greifen nah und doch so fern. Sie hörte die Einhörner wiehern und sah wie sie sich aufbäumten. Die Dunkelheit ergriff ihre Hufe. Waldelfen versuchten zu entkommen, wurden aber auf den Boden zurückgezogen. Ihre Gesichter erstarrten, als die Finsternis über sie kam. Überall loderten Feuer. Hervorgerufen von mächtigen Kampfzaubern. Der rot gefärbte Himmel war von Rauchschwaden durchzogen. Die Bilder wurden immer echter. Zauberella schmeckte jetzt sogar die verbrannte Luft. Sie kratzte ihr im Hals und ihre Augen brannten. Sie fühlte die Hitze der Feuer und gleichzeitig die Kälte der Dunkelheit. Die kleine Fee bekam Angst. Sie kriegte kaum noch Luft und versuchte mit tränenden Augen noch etwas zu erkennen. Da rauschte plötzlich eine andere Fee an ihr vorbei. Sie beschwor einen mächtigen Luftzauber, der wie ein Wirbelsturm auf die Finsternis prallte und den Rauch aus der Luft zog. Dieser Zauber schien die Fee nicht einmal Kraft gekostet zu haben. Zauberella war so erstaunt über die Macht dieser Fee, dass sie versuchte sie zu berühren. Da drehte sich die Fee plötzlich um und schaute Zauberella direkt an: „Finde das letzte Einhorn und nimm die Dunkelheit von ihm fort!“ rief sie aufgeregt, bevor ein großer Schatten sie wegstieß. Zauberella blickte nun geradewegs in diesen Schatten, aus dem sich langsam aber sicher etwas Bedrohliches formte. Sie konnte es fühlen. Es lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken.

Dunkle Gestalt tritt aus einem Schatten. Dahinter der brennende Dunkelwald - Geschichte: Zauberella und das verbotene Haus; Episode 6 - Der Anfang; Autor: Jens Pätz; Website: schlummerienchen.de

Und mit einem Mal schoss aus dem Schatten eine dunkle Gestalt. Die Gestalt war nicht richtig zu erkennen. Sie war eingehüllt in ein düsteres Gewand. Die kleine Fee erschrak. Sollte das etwa der dunkle Zauberer höchst persönlich sein? Plötzlich rauschte die Gestalt kreischend auf sie zu und streckte ihre Arme aus. Die kleine Fee zuckte vor Schreck zusammen und fiel auf den Waldboden. Schützend hielt sie ihre Ärmchen vor ihr Gesicht und schloss die Augen. Dann hörte sie den Zauberer schreien. Sie blinzelte durch ihre Augenlider und sah, wie der Zauberer tobte. Anscheinend kam er nicht an sie heran. Zauberella befand sich in einer Art Schutzfeld. „Du gehörst mir!“ rief der dunkle Zauberer voller Zorn. Dann verwischte das Bild vor ihren Augen und der Zauberer löste sich einfach in Luft auf. So wie auch der Rest des tobenden Kampfes drum herum sich auflöste.

Zauberella lag wie eingefroren auf dem Waldboden und blickte in das fragende Gesicht des Baumes. Er hatte aufgehört zu erzählen, als die kleine Fee zu Boden fiel. „Was ist mit dir los, kleine Fee?“ fragte er verwundert. Und auch Quietscher wusste nicht was los war. Was war passiert? Zauberella zitterte am ganzen Körper. Schnell nahm sie die Arme herunter und schaute sich hektisch um. „Habt ihr das nicht gesehen?“ fragte sie. „Da waren Feen und Einhörner und … und Schattenwesen, die aber nicht zur Dunkelheit gehörten. Eine Fee sprach mit mir und dann war da plötzlich der dunkle Zauberer, der nach mir griff!“ erzählte sie aufgeregt.

Während Quietscher immer noch nicht verstand was geschehen war, schien es der Baum genau zu wissen. „Es hat begonnen.“ flüsterte er…

Autor: Jens Pätz

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