Zauberella und das verbotene Haus (Serie)
Episode 2 - Tief im Feenwald
Nachdem die Wunschzauberei einfach nicht funktionieren wollte war Zauberella nun auf dem Weg tief in den Feen-Wald, um das verbotene Haus zu suchen. So tief war sie noch nie in den Wald geflogen. Normalerweise ist der Feen-Wald hell und freundlich. Bunte Lichter und Farben sind überall zu sehen und die schönsten Blumen blühen Tag und Nacht. Aber je tiefer die kleine Fee in den Wald gelangte, desto dunkler und unheimlicher wurde er.
Fröhliche Tiere verwandelten sich in Schatten und wurden zu dunklen Begleitern im Schwarz der Wälder. Vertraute Laute wurden zu unheimlichen Geräuschen, Knistern und Geraschel. Bei jedem Geräusch horchte Zauberella auf und schaute sich um – doch da war nichts. Ihr Herz klopfte und der Weg wurde langsam aber sicher anstrengend für die kleine Fee.
Je tiefer sie in den Wald gelangte, desto mehr merkte sie, dass sie die Orientierung verlor. Sie hatte keine Ahnung mehr, wo sie war. Der Wald sah in allen Richtungen gleich aus. Zu oft hatte sie sich gedreht, wenn sie über die Schulter zurück sah. Jetzt war sie im tiefen Wald verloren. Ohne Richtung und ohne Plan. Das Geäst der Bäume war zu dicht, als dass sie sich an den Sternen hätte orientieren können.
Ihre Flügel begannen zu ermüden und so musste sie auch noch zu Fuß weitergehen. Das machte den Wald noch unheimlicher. Als dann noch Nebel aufstieg, konnte sie am Boden fast nichts mehr erkennen. „Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ fragte sich die kleine Fee. „Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben.“ jammerte sie. „Ach du dumme kleine Fee. Aber du wolltest ja nicht hören!“ So murmelte Zauberella eine ganze Weile im Nebel vor sich hin, als sie plötzlich im Dunkel des Waldes auf etwas weiches trat. Schnell zog sie ihren Fuß zurück. Doch schon im selben Moment atmete die kleine Fee einen süßlichen Duft ein. Es roch himmlisch nach Zuckerwolken und Pfirsichen. Zauberella's Magen begann zu knurren. Sie hatte schon lange nichts mehr gegessen. Außerdem taten ihr die Füße weh. Sie war das Laufen nicht gewohnt. Zum Glück hatte sie ein paar Wabenküchlein eingepackt. So hatte Sie einen guten Grund jetzt eine Pause zu machen.
Verborgen im Nebel aß sie ihre Küchlein und ruhte sich aus. Als sie aufgegessen hatte, wollte sie gerade weitergehen – da blieb sie plötzlich stehen und kratzte sich am Kopf. Sie wusste auf einmal nicht mehr, wohin sie überhaupt gehen wollte. „Komisch.“ sagte sie und drehte sich um. „Na gut, dann gehe ich zurück!“ sagte sie trotzig; blieb aber wieder stehen. Wieder überlegte sie: „Woher komme ich eigentlich?“ fragte sie sich jetzt und schaute sich um. Das Bißchen, was sie durch den Nebel erkennen konnte, kam ihr nicht bekannt vor. „Wo bin ich?“ flüsterte sie verwirrt.
Arme Zauberella. Sie wusste nicht mehr, wo sie war, noch woher sie kam oder wohin sie wollte. Ihr Kopf war leer und sie lief ohne Ziel umher. Da raschelte plötzlich etwas im Gebüsch. Zauberella hob erschrocken vom Boden ab. Neugierig flatterte sie vor dem Gebüsch herum. „Hallo? Wer ist da?“ fragte sie. Da neigten sich die Zweige auseinander und es kam ein kleiner Pilz zum Vorschein. Es sah zumindest aus wie ein Pilz. Doch der Pilz hatte Arme und Beine und einen großen Kopf mit großen Knopfaugen.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“ sagte der Pilz kleinlaut und schaute auf seine Füße, als würde er sich schämen. Dann lugte er vorsichtig nach oben und sah Zauberella neugierig um ihn herumfliegen. Die kleine Fee landete wieder und streckte ihren Kopf ganz nah an den kleinen Pilz heran. Sie legte ihren Kopf schief – mal in die eine Richtung, mal in die andere und musterte den kleinen Kerl mit großen Augen. Da fing der kleine Pilz an zu kichern. „Du bist ganz schön nah.“ Sagte er. Dann fing er an über das ganze Gesicht zu strahlen. Ruckartig streckte er seine Hand aus und sagte: „Ich bin Dodo.“
Zauberella sprang einen Schritt zurück. Das war ihr etwas zu schnell. Dann aber nahm sie Dodo's Hand und wollte sich auch vorstellen: „Ich bin ...“ sagte die kleine Fee und stockte. Dann versuchte sie es erneut und räusperte sich: „Ich bin ...“ doch sie kam auch dieses Mal nicht weiter. „Ja, wer bin ich eigentlich?“ fragte sie dann.
Der kleine Pilz wusste was los war und beruhigte die verwirrte Fee: „Du kannst nicht wissen wer du bist! Zumindest nicht hier. Du bist nämlich im Vergiss-Mal-Nicht-Wald. Du hättest fliegen sollen. Dann wärst du nicht auf einen Vergiss-Mal-Nicht getreten. Aber habe keine Sorge. Ich führe dich zum Rande des Vergiss-Mal-Nicht-Waldes. Da hört die Wirkung auf.“ Ohne weitere Zeit zu verschwenden nahm Dodo Zauberella an die Hand und lief los. Alle paar Schritte fragte Zauberella erneut, wer er sei und Dodo musste sich wieder vorstellen. Aber das machte Dodo nichts. Er kannte das schon.
Am Rande des Vergiss-Mal-Nicht-Waldes angekommen, kehrte Zauberella's Erinnerung zurück. „Ach du großer Feenstab!“ rief sie erleichtert. „Ich danke dir Dodo. Du hast mich gerettet.“ Doch Dodo winkte ab. „Nichts zu Danken. Ich mache das gerne. Weißt du, im Vergiss-Mal-Nicht-Wald gibt es nicht so viele Lebewesen. Da ist es schön, mal jemand anderen zu treffen.“
Zauberella hatte Mitleid mit dem kleinen Kerl und blieb noch eine Weile, um sich mit ihm zu unterhalten. Sie fand Dodo lustig und Dodo freute sich über die Gesellschaft. So alberten sie eine ganze Weile herum und Zauberella vergaß die Zeit. Sie gewann den kleinen Pilz lieb. Doch dann fiel ihr das Haus wieder ein. Es wurde Zeit weiterzuziehen. „Möchtest du nicht mit mir kommen?“ fragte die kleine Fee, aber Dodo wehrte sofort ab. „Oh nein! Vielen Dank, aber ich fürchte mich im Dunkelwald.“
„Dunkelwald?“ fragte Zauberella. „Du meinst im Feenwald.“ Aber Dodo schüttelte den Kopf. „Nein, du bist hier nicht mehr im Feenwald. Das vergiss mal schnell.“ sagte er und kicherte. Dann schüttelte er sich: „Entschuldige. Das war nur so lustig, weil du gerade aus dem Vergiss-Mal-Nicht-Wald kommst.“ Dann räusperte er sich und sprach weiter: „Der Vergiss-Mal-Nicht-Wald ist die Grenze zwischen dem Feenland und dem Dunkelwald, damit niemand in den Dunkelwald gelangt. Da ist es nämlich bitterlich unheimlich. Brrrr.“ flüsterte der kleine Kerl und schüttelte sich am ganzen Körper. „Bist du sicher, dass du weitergehen willst?“ fragte er dann.
Zauberella war sich plötzlich nicht mehr so sicher. Es sah wirklich ziemlich unheimlich aus im Dunkelwald. Dennoch nickte sie. „Ich muss weiter.“ sagte sie. „Ich bin auf der Suche nach einem verborgenen Haus.“ Dodo schaute Zauberella an: „Du bist die Fee, die nach dem verbotenen Haus sucht.“ sagte er dann erstaunt. „Woher weißt du das?“ fragte Zauberella überrascht. Doch Dodo antwortete nicht. „Weißt du, wo ich es finde?“ fragte sie dann ganz aufgeregt. Aber Dodo schüttelte den Kopf: „Nein, ich weiß nicht wo es ist. Ich weiß nur, dass du es suchen wirst. Egal was ich jetzt sage. Auch wenn ich dir erzähle, dass niemand, der es je betreten hat, wieder herauskam. Ich weiß, du wirst es trotzdem suchen.“ Zauberella schaute Dodo etwas verwirrt an: „Aber, woher willst du das wissen?“ fragte sie. Doch Dodo schwieg wieder.
Der kleine Pilz schien zu überlegen. Dann stellte er sich plötzlich aufrecht hin und holte tief Luft: „Ich werde dich doch begleiten!“ Sagte er mit tapferer Stimme. „Weißt du, deine Feenmagie funktioniert nicht im Dunkelwald und irgendwer muss ja auf dich aufpassen. Außerdem kann ich dir den Weg leuchten.“ Zauberella war mehr als beunruhigt, dass ihre Magie im Dunkelwald nicht wirken sollte. Doch bevor sie irgendetwas sagen konnte, raschelte Dodo an ein paar Sträuchern. Dabei rief er: „Aufwachen freunde!“ Im nächsten Moment stiegen hunderte von kleinen Funken auf, die den Wald in ein warmes Licht tauchten. Zauberella stand wie angewurzelt vor den kleinen Lichtern und hatte zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl in Sicherheit zu sein.
Mitten in den kleinen Lichtern schien Dodo etwas zu suchen. „Hey mein kleiner Freund, wo bist du?“ Murmelte er. Dann griff er nach etwas: „Aha, hab ich dich!“ rief er freudig, drehte sich um und warf ein kleines Licht in die Luft. Der kleine Funke fing sofort an, wild umher zu sausen und immer heller zu werden. Die kleine Fee verfolgte das funkelnde Etwas neugierig mit ihren Augen. „Das ist Quietscher. Der hellste Funke im ganzen Vergiss-Mal-Nicht-Wald.“ Sagte Dodo stolz. „Quietscher ist klein, aber er leuchtet so hell wie eine Laterne. Er wird uns im Dunkelwald den Weg weisen.“
So schnell das kleine Licht umher flog, so schnell schien es auch zu sprechen. Aber Zauberella konnte nichts verstehen. Sie hörte nur lustige quietschende Laute. Dodo aber verstand dafür jedes Wort. Nach ein paar lustigen Quietschern antwortete der kleine Pilz: „Kaum habe ich dich rausgeholt, fängst du schon wieder damit an.“ Sagte er zu dem kleinen leuchtenden Etwas und schien genervt zu sein. Da flog das Licht aufgeregt um Dodo herum und machte noch mehr quietschende Geräusche. Dodo stemmte seine Ärmchen in die Hüfte und schüttelte den Kopf. Dann schimpfte er mit dem kleinen Licht. „Doch!“ Sagte er etwas verärgert. „Wir müssen ihr helfen. Und jetzt ist Schluss damit. Ich will kein Wort mehr davon hören!“
Zauberella verstand nicht, was los war, schaute sich das Schauspiel aber interessiert an. Sie sah den kleinen Pilz zum ersten Mal genervt. Das kleine Licht flog jetzt mit etwas Abstand zu Dodo, als wäre es beleidigt. „Was hat es denn?“ fragte die kleine Fee. „Ach nichts!“ antwortete Dodo. „Er hat wie immer die Hosen gestrichen voll. Ich weiß gar nicht was er will. Er ist ein helles Licht und kann fliegen – wovor hat er also Angst?“ Die kleine Fee schaute in den Dunkelwald und ahnte, wovor der kleine Funke Angst hatte. Es beschlich sie ein ungutes Gefühl und sie wusste nicht, warum Dodo jetzt unbedingt mitkommen wollte. Doch sie war erleichtert, dass der Dunkelwald nun doch nicht so dunkel bleiben würde und sie ihn auch nicht alleine durchqueren sollte ... Fortsetzung folgt!
Autor: Jens Pätz