Ohne Fleiß keinen Preis
Im Wald lebten einst ein Hamster und ein Eichhörnchen. Der Hamster war immer sehr fleißig und erledigte alle seine Aufgaben sofort. Das Eichhörnchen hingegen war sehr faul. Es wollte das Leben lieber genießen; ohne all die lästigen Aufgaben, die man als Eichhörnchen so machen musste.
Jeden Herbst begannen die Tiere Vorräte für den Winterschlaf zu sammeln. Eichhörnchen, Hamster, Mäuse und Bären zogen sich nämlich im Winter in ein gemütliches Versteck zurück um dort sehr viel zu schlafen. Nur wenn sie hungrig wurden, wachten sie auf um etwas zu essen. Und dafür musste etwas zu Essen da sein.
Also sammelten Eichhörnchen, Hamster, Mäuse und Bären so viel Nahrung wie sie finden konnten und versteckten sie an den verschiedensten Orten. In Baumhöhlen, leeren Vogelnestern, im Boden oder auch unter Steinen. Sie sammelten mehr als sie brauchten. Denn es konnte ja sein, dass andere Tiere die versteckte Nahrung fanden und - ohne es zu wissen - das Essen eines anderen mitnahmen. Oder man vergaß so manches Versteck. Das konnte schon mal vorkommen – es waren ja viele.
Also sammelte auch der Hamster so viel er konnte. Aber das Eichhörnchen war faul. Es hatte keine Lust jeden Tag zu sammeln. Es spielte lieber am Bach oder lag im Gras. Als es dann Winter wurde, merkte das Eichhörnchen, dass es schon ziemlich spät war und fing an zu sammeln. Natürlich reichte die Zeit nicht und das Eichhörnchen hatte große Sorge.
Es fragte den Hamster ob er teilen würde. Der Hamster sagte: „Du hättest doch selbst genügend sammeln können! Warum hast du das nicht getan?“ Das Eichhörnchen aber war um keine Ausrede verlegen und antwortete: „Ich hatte so viel anderes zu tun. Deswegen habe ich es nicht geschafft. Bitte, lieber Hamster, du hast doch mehr als du brauchst. Oder soll ich etwa verhungern?“
„Na gut.“ sagte der Hamster und teilte seine Vorräte mit dem Eichhörnchen. Das Eichhörnchen freute sich und dachte: „So ein dummer Hamster. Das war ja einfach. Das mache ich nächstes Jahr nochmal so!“
Als der nächste Herbst kam, sammelte der Hamster wieder fleißig Nahrung für den Winterschlaf. Aber was war das? Der Hamster sah das Eichhörnchen im Gras liegen und träumen. „Was machst du da? Wieso sammelst du nichts?“ fragte der Hamster. Das Eichhörnchen erschrak, war aber mal wieder um keine Ausrede verlegen: „Hast du mich erschrocken Hamster. Ich mache gerade eine Pause, weil ich so viel gesammelt habe.“ sagte es.
Als der Winter kam hatte das Eichhörnchen nicht eine Nuss, nicht einen Pilz, nicht einen Zapfen oder Samen gesammelt. Mit einer einzigen Nuss in den Händen ging das Eichhörnchen zum Hamster und sagte: „Ach her je, lieber Hamster, mein ganzes Essen wurde geklaut! Nur diese Nuss wurde mir gelassen. Was mache ich jetzt nur? Du hast doch bestimmt wieder mehr als du brauchst, oder?“ Der Hamster schüttelte den Kopf: „Du hast gar nichts?“ fragte er. Das Eichhörnchen antwortete: „Nicht eine Nuss, nicht einen Pilz, nicht einen Zapfen oder Samen.“
Der Hamster sagte: „Ich habe dieses Jahr selbst nicht so viel gefunden, dass es für zwei reichen würde.“ Da wurde das Eichhörnchen wütend: „Du hast nicht genug für zwei gefunden? Warum hast du vorher nichts gesagt? Das ist ziemlich gemein von dir Hamster - weißt du das? Hätte ich das gewusst, hätte ich selbst gesammelt!“
Da horchte der Hamster auf: „Du hast gar nicht gesammelt?“ Das Eichhörnchen schluckte, als es bemerkte, dass es sich verraten hatte: „Also, naja. Ich hatte viel zu tun und dann war wenig Zeit.“ Der Hamster aber merkte jetzt woran er mit dem Eichhörnchen war: „Das heißt, du hast mich letztes Jahr auch schon belogen. Und dieses Jahr wolltest du es dir ganz einfach machen. Ich habe das schon verstanden!“ sagte der Hamster verärgert.
„Aber willst du mich wirklich verhungern lassen?“ fragte das Eichhörnchen. Der Hamster schüttelte den Kopf: „Nein, verhungern lassen werde ich dich nicht. Ich werde dir genug geben, dass du nicht verhungerst. Jedoch wird es zu wenig sein um satt zu werden. Ich hoffe, dein knurrender Magen wird dir über den Winter die Augen öffnen!“ sagte der Hamster und gab dem Eichhörnchen einen kleinen Teil seiner Vorräte.
Das Eichhörnchen war wütend auf den Hamster und suchte die Schuld nicht bei sich selbst. Es dachte: „Dieser gemeine Hamster. Hätte er mir früh genug gesagt, dass er nicht so viel hat, hätte ich noch etwas sammeln können! Das ist alles seine Schuld!“ Ja, das Eichhörnchen war so verärgert über sich selbst, dass es schwer war zuzugeben, dass es einen Fehler gemacht hatte.
Je länger das Eichhörnchen jedoch im Winterschlaf war und der Magen knurrte, desto klarer wurde ihm, dass es selbst an allem Schuld war. Es musste sich eingestehen, dass es einen Fehler gemacht hatte. Denn nur so konnte das Eichhörnchen es zum nächsten Winterschlaf besser machen.
Im nächsten Herbst sammelte das Eichhörnchen Tag ein Tag aus. Es rannte geschwind hin und her und sammelte von allem mehr. Als der Winter kam ging es zum Hamster um sich zu entschuldigen. Der Hamster freute sich sehr über die Einsicht des Eichhörnchens!
Das Eichhörnchen bot dem Hamster etwas von seinen Vorräten als Entschuldigung an. Doch der Hamster hatte genügend Vorräte in diesem Jahr und sagte: „Ich konnte dieses Jahr genügend sammeln - hab vielen Dank. Aber andere Tiere hatten vielleicht nicht so viel Glück. Die würden sich bestimmt sehr freuen, wenn du ihnen einen Teil deiner Vorräte gibst.“
„So machen wir es!“ sagte das Eichhörnchen und gab allen Tieren, die nicht so viel hatten, einen Teil seiner Vorräte. Die anderen Tiere freuten sich riesig und bedankten sich. Aber das Eichhörnchen sagte: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sage - aber eigentlich könnt ihr euch beim Hamster bedanken. Er hat mir eine Lektion erteilt, die ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde.“ Und so bedankten sich die Tiere bei dem Eichhörnchen und dem Hamster. Seitdem sind alle die dicksten Freunde und helfen sich gegenseitig - wo immer sie können!
Autor: Jens Pätz