Elias und die Zauberkugel
In einem kleinen Land, nahe der großen Berge von Litanien, lebte der kleine Zauberer Elias. Zumindest nannten ihn die Dorfbewohner von Klungelhain den kleinen Zauberer. Eigentlich führte Elias nämlich nur Zauberkunststückchen auf dem Wochenendmarkt vor. Elias lies Seile erstarren, dass sie hart wie Ebenholz wurden und Steine zu Staub zerfallen. Den Staub pustete er dann über die Köpfe der staunenden Dorfbewohner hinweg. Es waren natürlich keine echten Steine, die Elias in Staub verwandelte. In seiner Abstellkammer daheim, hatte Elias einen großen Vorrat an altem Käse, den er über die Monate hart werden ließ. Nach einiger Zeit werden die Käsestückchen gräulich und porös, dass sie aussehen wie echte Steine. Mit etwas Kraftaufwand lässt sich der alte Käse dann leicht zu Staub zerdrücken. Die Dorfbewohner wissen natürlich von alle dem nichts und staunen jedes mal erneut über die magischen Kräfte des kleinen Zauberers.
Eines Tages begibt es sich jedoch, dass der Markt von einem großen Unheil überschattet wird. Der sonst so herrliche Himmel in Klungelhain bezieht sich mit düsteren Wolken. Wo gerade noch die Sonne schien herrscht plötzlich finstere Kälte. Alles ist dunkel und sehr ungewohnt für die Bürger von Klungelhain. Dann beginnt der Himmel zu grollen und zu grummeln. Es ist laut und unheimlich, als es plötzlich auch noch windig wird. Der Wind wird in kürzester Zeit immer stärker und pustet sogar schon einen Teil der Marktstände weg. Alle Dorfbewohner sind in heller Aufruhr und laufen wie kleine Ameisen quer durcheinander. Jeder versucht zu retten, was zu retten ist. Es herrscht ein einziges Chaos auf den Straßen Klungelhains.
Nur einer bleibt still und starr stehen – Elias, der kleine Zauberer. Er steht auf seinem Podest, wo er immer seine Kunststückchen vorführt und beobachtet das hektische treiben der Leute. Er friert etwas in seiner Robe, als der Wind heftiger wird. Also schnürt er die Plane, die über seinem Podest als Dach gespannt ist etwas fester. Dann nimmt er einen Kessel und macht ein Feuer darin. Die Zaubertricks sind ihm schon so ins Blut übergegangen, dass er das Feuer im Kessel mit seiner bloßen Hand entzündet – natürlich nur ein Kunststück, das er auch öfters vorführt. Elias ist so konzentriert, dass er gar nicht mitbekommt, dass er dabei von einer Handvoll Dorfbewohner beobachtet wird. Die Bewohner erinnern sich nun in ihrer Not an die magischen Kräfte des kleinen Zauberers. Prompt rufen sie den Rest der Bewohner Klungelhains zusammen, um den kleinen Zauberer um Hilfe zu bitten.
„Hey kleiner Zauberer.“ Elias wird aus seiner Konzentration gerissen. Er sieht nun den Auflauf der Dorfbewohner vor seinem Podest. „Ich spreche für alle Leute im Dorf,“ sagt Luca, der Schmied von Klungelhain „wenn ich dich bitte uns zu helfen.“ Aus den hinteren Reihen ruft ein Mann dazwischen: „Unsere ganze Ernte wird verwüstet, wenn der Sturm so weiter macht. Hilf uns kleiner Zauberer. Mach das der Sturm aufhört.“ Elias wird auf einmal klar, dass die Dorfbewohner wirklich denken, dass er Zauberkräfte hat. „Was soll ich nur tun?“, denkt Elias während die Dorfbewohner auf ihn einreden. „Sie wissen nicht, dass ich gar nicht zaubern kann. Wenn ich es ihnen sage, werden sie mich als Lügner bezeichnen und bestimmt aus dem Dorf verbannen. Ich muss einfach hoffen, dass der Sturm aufhört.“ Elias hebt beide Hände: „Ruhig liebe Dorfbewohner. Ich bin bereits dabei euch zu helfen. Seht ihr diesen Kessel hier?“ Elias zeigt auf den Kessel in dem das Feuer brennt. „In diesem Kessel brennt das Feuer der Weisen.“ sagt Elias. „Ich beschwöre gerade unsere Vorfahren und bitte um Hilfe.“ „Ja aber was sagen die Vorfahren?“ ruft eine Frau fragend. Elias muss schlucken und überlegt schnell, was er antworten kann. Da fällt sein Blick auf eine kleine Kristallkugel, die in seinen Zaubersachen liegt. Er greift nach der Kugel und hält sie hoch: „Dies ist eine Zauberkugel aus längst vergangenen Zeiten.“ spricht Elias zu den Dorfbewohnern. „Unsere Vorfahren haben all ihre Kräfte in diese Kugel gelegt.“ Elias will gerade weiter sprechen, als das Gerede der Dorfbewohner so laut wird, dass er sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann. „Wir sind gerettet. Wir haben eine Zauberkugel.“ ertönt es aus einer Richtung. „Ja aber was machen wir mit dieser Kugel jetzt?“ ertönt es aus einer anderen Richtung. „Wer sagt uns, dass diese Kugel überhaupt hilfreich ist?“ ertönt es wieder aus einer anderen Richtung. In diesem Moment fährt ein Blitz vom Himmel direkt inmitten des Marktplatzes, wo die Dorfbewohner versammelt stehen. Der Blitz kracht mit einem riesen Radau in die Statue, die mitten auf dem Platz steht. Elias nutzt diesen Moment sofort. Er reißt beide Hände in die Luft und schreit:“Ruhe ihr Dorfbewohner von Klungelhain oder muss ich noch einen Blitz niederfahren lassen?“ Die Dorfbewohner wenden sich erschrocken dem kleinen Zauberer zu. „Oh kleiner Zauberer, wir werden alles tun was du uns aufträgst.“ spricht der Schmied und alle Bewohner nicken mit den Köpfen. „Nun denn.“ spricht der kleine Zauberer „ich muss...ähm...ich muss“ er schaut nach oben in den Himmel, als sein Blick an den großen Bergen hängen bleibt. „Ich muss auf den höchsten Berg um dem Himmel am nächsten zu sein.“ sagt Elias. „Ja, das ergibt Sinn.“ sagt der Schmied. „Ja stimmt.“ pflichten die Dorfbewohner bei. Und so macht sich Elias, mit der Zauberkugel im Gepäck, auf den Weg in die Berge.
„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ murmelt Elias, während er die steilen Hügel der Vorberglandschaft erklimmt. „Elias, du bist doch wirklich ein dummer, dummer kleiner Zauberer!“ schimpft er mit sich selbst. Und wieder fährt ein Blitz vom Himmel. Der Blitz schlägt gar nicht weit entfernt von Elias ein. „Uiuiui, das war knapp. Ich bin ja auch selbst Schuld, wenn ich von einem Blitz getroffen werde.“ spricht Elias mit sich selbst. „Was mache ich hier überhaupt? Ich kann das Unwetter doch sowieso nicht aufhalten.“ Elias ist auf halber Strecke. Er setzt sich hin und schmeißt seine Tasche mit Wut neben sich. Die Tasche landet so hart, das sich die Schnüre entwirren, die die Tasche geschlossen halten. So passiert es, dass die Zauberkugel heraus kullert. Elias atmet erschwert aus „Puhhh, was soll ich tun?“ Sein Blick fällt auf die Kugel. „Was machst du denn da? Wegen dir sitze ich hier und weiß nicht weiter. Warum kannst du keine echte Zauberkugel sein?“ Kaum hat Elias den Satz beendet, wird er von einem gleißenden Blitz geblendet, der mit voller Wucht in die Kristallkugel schlägt. „Wooow, Gichtelwurz und Sammelhalm nochmal! Was soll das denn?“ schreit er auf, während er einen riesigen Satz nach hinten macht. Elias blickt auf die Kugel. Sie schimmert und glitzert. So hat es zumindest den Eindruck. Aber als Elias genauer hinschaut, sieht er wie ein gefangener Blitz in der Kugel hilflos umher zittert. „Das gibt es doch nicht!“ entfährt es Elias mit verblüfftem Gesicht. „Die Kugel hat den Blitz gefangen.“ Elias nimmt seinen Zauberhut ab und kratzt sich am Kopf. „Mooooment mal. Wenn die Kugel einen Blitz fangen kann, wieso dann nicht alle? Immerhin ist alles auf der Welt begrenzt, warum nicht auch Blitze?“ Elias überlegt: „Wenn ich alle Blitze fange, gibt es dann kein Unwetter mehr?“ Ein grinsen huscht über sein Gesicht. „Einen Versuch ist es allemal wert!“ ruft er laut. „Haha, Unwetter nimm dich in Acht. Hier kommt Elias der kleine Zauberer!“. Elias nimmt vorsichtig die Zauberkugel aus dem Gras und steckt sie behutsam in die Tragetasche. Dann macht er sich auf um an die Spitze der Berge zu gelangen.
Als Elias auf der Spitze ankommt, ist er fix und fertig von dem mühevollen Aufstieg. Schweißgebadet setzt er sich um Luft zu holen. Völlig außer Atem sagt er kleinlaut: „Ok, hier ist Elias.“ Er muss Luft holen: „Der kleine Zauberer. Und du mein liebes Unwetter wirst jetzt gefangen!“ Er holt die Kugel aus der Tasche und legt sie auf die Felsen der Bergspitze. „Ob ich einen Zauberspruch murmeln muss? Ach quatsch, musste ich vorhin ja auch nicht.“ sagt sich Elias. Er macht vorsichtig ein paar Schritte zurück. „Nun denn, los kleine Kugel hol sie Dir!“ Elias starrt auf die Kugel, aber nichts passiert. Der Wind wird wieder heftiger und Elias hört, außer dem rauschen des Windes und seiner flatternden Robe, noch nicht mal mehr seine eigenen Gedanken. Die Blitze spielen ihr böses Spiel am Himmel kurz bevor es kracht und donnert. „Was ist los mit dir Kugel?“ schreit Elias. Er erinnert sich, dass er die Zauberkugel vorhin schon einmal angebrüllt hat. „Vielleicht funktioniert das ja nur so.“ denkt er sich. „Was habe ich denn vorhin gebrüllt? Ach ja, stimmt!“. Elias holt tief Luft, auch wenn es schwer fällt bei diesem Gegenwind. „Warum kannst du keine echte Zauberkugel sein?“ Das Stehen auf der Bergspitze bei diesem Unwetter und das Schreien, waren so anstrengend, dass Elias auf die Knie fällt. Er Blickt zur Kugel und traut seinen Augen nicht. Die Zauberkugel schwebt in einem glänzenden blauen Licht. Elias reibt sich die Augen und versucht durch den Sturm besser zu sehen. Er kneift seine Augen zusammen um den Blick zu schärfen, aber er wird geblendet. Dann kracht es ein dutzend mal nacheinander mit einem Gewaltigen Getöse. Bei jedem Krachen erhellt sich der Berg bis in die Talspitzen herunter zum Dorf.
Die Dorfbewohner stehen wie angewurzelt auf den Straßen Klungelhains und sehen wie gebannt dem Schauspiel zu. Ein lautes „Ooooohhh.“ geht durch die Menge, als der nächste Blitz in den Berg schlägt. Mit jedem Blitz der in den Berg nieder fährt, verschwindet ein Stückchen der dunklen Wolken mit ihm. Es ist ein großartiges Spektakel. Ganze Blitzsalven schlagen im Sekundentakt in den Berg. „Weiter so Elias, du schaffst es!“ ruft Luca der Schmied. Die anderen Dorfbewohner stimmen mit ein. „Elias du bist unser Zauberer – du schaffst es ganz sicher.“ Das geht so weiter, bis alle Dorfbewohner mit vereinter Stimme rufen: „E-li-as, E-li-as, E-li-as...“.
Als der letzte Blitz in die Kugel schlägt, wird der Himmel klar und eine kreisrunde Lichtwelle geht von der Kugel weg, in den gesamten Himmel über den Köpfen der Dorfbewohner und verschwindet mit einem immer leiser werdenden Zischen.
Nachdem Elias seine Kräfte gesammelt hat, nimmt er die Zauberkugel und steigt den Berg hinab. Auf seinem Podest im Dorf, stellt er sich hin und zieht die Kugel aus der Tasche. Elias reißt sie nach oben und ruft: „In dieser Zauberkugel ist das Unwetter von Klungelhain gefangen. Und so sehr die Blitze auch zittern und die Wolken donnern. Es bleibt für alle Zeiten in dieser Zauberkugel gefangen.“ Die Dorfbewohner jubeln und feiern den kleinen Zauberer.
Das war die Geschichte von Elias dem kleinen Zauberer, der durch seine Taten, ganz groß wurde.
Autor: Jens Pätz