Drago und der Schluckauf
In einem fernen Land lebte ein kleiner Drache namens Drago. Er lebte nicht im Wald und auch nicht in den Bergen. Nein, Drago lebte in einem großen Schloss. So lange er denken konnte, wurde er als Freund des kleinen Prinzen verwöhnt. Er kriegte stets sein Essen zubereitet und obendrein jede Menge Streicheleinheiten.
Jeder im Schloss mochte Drago und vor allem der Hofzauberer war von dem kleinen Drachen begeistert. Fasziniert schaute der Zauberer Drago manchmal stundenlang zu, wenn der Drache mit seinem Feueratem spielte. „Das ist wahrhaft ein Zauber der Natur.“ Sagte er dann immer.
Eines Tages hatte Drago Schluckauf und spuckte aus versehen Feuer auf die Mütze des Hofzauberers. Natürlich versuchte der Drache schnell das Feuer auszupusten. Mit dem Schluckauf jedoch hatte der Hofzauberer plötzlich eine Frisur ohne Haare. „Verdammter Zauber der Natur!“ entfuhr es dem Zauberer in diesem Moment.
Der Prinz versuchte alles Mögliche, aber der Schluckauf ging nicht weg. Zum Beispiel schlich der Prinz sich von hinten an den Drachen heran. Dann zog er eine lächerliche Grimasse. Dabei steckte er die Zunge raus, schielte und brüllte plötzlich los: „UAaaAAaah!“ die Zunge bewegte er dabei hin und her „Bölölölölölölöl“ Drago erschrak und für einen kurzen Moment herrschte Stille. Aber dann „Higggs…Wuuuuusch“ schoss eine Flamme über den Kopf des kleinen Prinzen hinweg.
Der Prinz merkte schnell, so kann es nicht weitergehen und suchte ausgerechnet Hilfe beim Hofzauberer. Der war noch etwas eingeschnappt wegen seiner Haarpracht. Aber willigte letztendlich ein, dem Prinzen zu helfen. Während er angestrengt überlegte, strich er sich über seine neue Glatze und zauselte in seinen Bart: „Ui ui ui ui ui, Ai ai ai ai ai, was können wir da tun?“ Er griff zu einem seiner Bücher und blätterte wie wild darin. Man hörte eine ganze Zeit nur die Buchseiten fliegen: „Tschup, tschip, tschup, tschip, tschup.“ Und dann: „AaaaHA, das hört sich doch gut an.“ Er las die Überschrift eines Zauberspruchs vor: „Grünen Drachen zahm machen.“ Der Zauberer schaute den Prinzen an: „Ja, das könnte es doch sein.“ Dann tuschelte er vor sich hin: „Anzuwenden bei bösartigen Drachen, die ganze Dörfer in Schutt und Asche legen. Bei bissigen Drachen. Bei gemeinen Drachen…“
Der Prinz unterbrach ihn: „Das passt doch alles nicht.“ Aber der Hofzauberer war weiter vertieft in seinem Buch, als er plötzlich aufschrie: „AAaaah, und bei Schluckauf.“ Der Zauberer klopfte mit seinem Finger in das Buch: „Hier steht’s.“ Der Prinz war sofort begeistert: „Super, perfekt, das nehmen wir!“ sagte er, während er nach dem Buch griff und es dabei zuschlug. „Naaaaaa,“ schrie der Zauberer. „Ich habe Stunden gebraucht, um den richtigen Spruch zu finden. Und jetzt habe ich mir die Seite nicht gemerkt.“ Der Prinz haute sich das Buch an die Stirn und schüttelte den Kopf: „Na super, klasse. Also von vorn.“
Gesagt – getan und so suchte der Zauberer den Spruch erneut. Als sie ihn hatten, gingen sie direkt zu Drago. Der versuchte inzwischen seinen Schluckauf mit Luft anhalten weg zu bekommen. Wie die verkohlten Vorhänge des Thronsaals aber vermuten ließen – ohne Erfolg. Wenn Drago die Luft anhielt, sausten die Flammen aus seinen Nasenlöchern.
„Wir haben eine Lösung gefunden Drago.“ teilte der kleine Prinz dem Drachen freudig mit. Drago war sichtlich erleichtert. „Gut, was ist genau zu tun?“ fragte der Prinz nun den Zauberer. Der Zauberer las aus dem Buch vor. „Ihr müsst auf die höchste Burgmauer klettern, die zum Burggraben Richtung Norden zeigt. Von dort springt ihr in den Graben und taucht auf den Boden hinab. Dann pflückt ihr eine Alge. Wenn ihr wieder an Land seid, packt ihr die Alge in ein Leinentuch und faltet das Tuch zu einem Dreieck. Dann legt ihr es auf den Boden und tretet drei Mal drauf. Danach hebt ihr es wieder auf, lauft drei Mal um die alte Eiche und kaut auf dem Tuch bis die Alge zerkleinert ist…“
„Waaaaas? Iiiiihhh pfui bäh.“ unterbrach der kleine Prinz. „Das ist doch nicht dein ernst.“ Der Zauberer zuckte nur mit den Schultern. Der Prinz ließ den Kopf hängen: „Na toll. Höchste Mauer – ist klar. Und dann das Kauen – bääääh. Und was dann? Soll ich vielleicht noch zu den Sternen fliegen?“ Der Zauberer räusperte sich: „Also, naja…“ Der Prinz guckte ihn erschrocken an: „Nicht dein ernst?“ Aber der Zauberer nickte ab: „Nein, ich wollte euch nur auf den Arm nehmen“ und grinste. „Ha ha, sehr komisch.“ Gab der kleine Prinz spöttisch von sich. Der Zauberer las zu Ende vor: „Zum Schluss wird die Zauberformel gesprochen, während die zerkaute Alge auf den Hals des Drachen gerieben wird.“ In diesem Augenblick machte Drago große Augen. Der Prinz schaute ihn an und sagte: “Guck nicht so doof. Du musst das Zeug wenigstens nicht kauen.“
Der kleine Prinz machte alles genau wie im Buch. Er sprang von der höchsten Mauer in den Burggraben. Tauchte zum Grund hinab und pflückte eine Alge. Tauchte wieder auf und legte sie in ein Leinentuch. Dann faltete er das Tuch zu einem Dreieck und trat drei Mal drauf. Danach lief er drei Mal um die alte Eiche und kaute auf dem Tuch, bis die Alge zerkleinert war. „Sssp, ssp.“ spuckte der Prinz vor sich hin, als er die Alge zu Drago brachte und dem Zauberer übergab. „Echt widerlich. Schmeckt wie eingeschlafener Fuß, bäh.“
Der Zauberer sprach die Formel, während er die Alge auf Drago’s Hals rieb. Drago kniff die Augen zusammen. Als der kleine Prinz das sah, konnte er sich den Spruch nicht verkneifen: „Was ist los? Musst du pupsen?“ und er lachte sich kaputt. Dann begann aber Drago’s Hals hell zu leuchten. Keiner wusste so recht, was das zu bedeuten hatte. Es wurde immer heller. Drago wurde unruhig – er hatte offenbar Angst. Aber dann flog das Licht zum Fenster hinaus und Drago schien geheilt. Und tatsächlich – Drago’s Schluckauf war verflogen.
Die drei jubelten und freuten sich noch den ganzen Abend, bis sie alle seelig am Kamin einschliefen.
Autor: Jens Pätz