Die Hasenpiraten auf Schatzsuche
Es ist ein wunderschöner Tag. Am Himmel ist weit und breit keine einzige Wolke zu sehen. Auf dem seichten Wasser kreuzt ein Piratenschiff quer über das Meer.
Die Sonne strahlt den Matrosen auf den Pelz. Aber es bleibt keine Zeit zum Faulenzen. Auf dem Schiff wird mal wieder emsig Ausschau nach einer Schatzinsel gehalten. Denn die Piraten dürstet es nach Gold und Juwelen.
Der Steuermann weiß noch nicht genau wohin die Reise gehen soll. Denn bisher segeln die Piraten nur anhand einer halben Schatzkarte. Um den Schatz zu finden, müssen sie erst einmal die andere Hälfte der Schatzkarte suchen.
Aber jetzt gibt es vorerst ein anderes Problem. Am Heck des Schiffs hat sich eine Krake festgesetzt. Das bremst die ganze Fahrt aus. Der Kapitän nimmt kurzer Hand ein großes Stück Holz und geht auf die Krake zu. Dann schmeißt er das Holz so weit er kann ins Meer hinaus.
„Hol Stöckchen!“ ruft er laut und die Krake springt vom Heck ins Wasser und schwimmt dem Stock hinterher. „Na also, geht doch du Wasser-Terrier!“ tuschelt der Kapitän in seinen Bart, bevor er sich wieder der Schatzsuche widmet.
Und da ertönt es auch schon vom Aussichtsturm: „Land voraus! Hart Backbord!“ Der Kapitän stößt den Steuermann zur Seite und reißt das Ruder mit einem Grinsen herum. Vor ihnen erscheint am Horizont eine Insel. Ist das die Schatzinsel? Schwer zu sagen ohne den zweiten Teil der Karte. Doch es ist ein Anfang.
Hektik verbreitet sich auf dem Piratenschiff. Schnell werden die Segel neu gesetzt. Jeder Hase an Bord beeilt sich so gut er kann. Warum die Hasen so hektisch sind fragt ihr euch?
Nun ja, sie sind wahrhaft nicht die Einzigen die auf der Suche nach dem Schatz sind. Andere Piraten haben sich den ersten Teil der Schatzkarte ergaunert und sind nun auch auf der Suche nach Reichtum und Ehre.
Eines Abends hatte die rechte Pfote des Kapitäns - der schlaksige Hellgard Hüpfer – nicht richtig aufgepasst und ist eingeschlafen, während die Schatzkarte auf seinem Nachttisch lag.
Dieser Moment wurde arglistig ausgenutzt. Ein hinterhältiger Pirat schlich sich in die Schlafkammer der rechten Pfote des Kapitäns um die Schatzkarte heimlich abzuzeichnen. Und jetzt befinden sich die Piraten im Wettlauf mit den heimtückischen Schurken. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Der Piratenkodex verbietet zwar nicht sich auf heimtückische Weise einen Vorteil zu verschaffen; aber er gebietet demjenigen den Schatz, der ihn zuerst findet.
Die Insel kommt näher und auf dem Ausguck wird es laut. „Zweiter Teil der Schatzkarte voraus!“ Ruft Willi Weitsicht und fällt vor lauter Aufregung fast von der Aussichtsplattform. Puh, das ist gerade nochmal gut gegangen.
Als der Kapitän den Ruf hört, traut er seinen Lauschern nicht. Er rauscht an an die Reeling des Piratenschiffs und greift nach dem Fernrohr. „Wo? Wo denn?“ ruft er aufgeregt. Doch dann sieht er etwas, dass ihm das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Der zweite Teil der Schatzkarte befindet sich in einer Flaschenpost. Doch diese wurde schon aus dem Meer gefischt. Der Kapitän erblickt in der Ferne das Unglaubliche. „Ai Potz Blitz. Da brat mir doch einer ein Osterei. Das ist ja eine Meerjungzibbe die die Boddel hält.“ Poltert es aus der Schnauze des Kapitäns.
Und tatsächlich. Auf der Insel sitzt eine Meerjungfrau, äh Entschuldigung, Meerjungzibbe – wie der Kapitän es schon richtig sagte – und hält die Flaschenpost in den Pfoten.
Da ist Vorsicht angesagt. Denn wie der Kapitän schon richtig weiter poltert: „Mit Meerjungzibben is nicht jut Kirschen essen mi Jung!“
Und schon befiehlt er den Matrosen die Segel einzuholen und die Fahrt zu drosseln.
Dann brüllt er aus vollem Leibe: „Kanonen Steuerbord!“ Alle Matrosen hüpfen hektisch durcheinander. Dann werden die Kanonen nach Steuerbord gezerrt. Dabei singen die Matrosen im Rhythmus: „Und eins und zieh und eins und zieh…“
Das Schiff schaukelt von links nach rechts, von rechts nach links. Es schaukelt so gewaltig, dass einige Kanonen von alleine zurück rollen. „Ai verpiepscht nochmal! Nu bleib doch halt a mal hier!“ ruft der junge Torben Tollpatsch, als er von einer Kanone quer über das Deck gezogen wird.
Mit aller Kraft versucht er das Ungetüm zu halten. Doch es ist nichts zu machen. Unerlässlich setzt die Kanone ihren Weg fort. Zu allem Unglück stolpert er auch noch über eine Planke und fliegt in hohem Bogen auf die rollende Kanone.
Jetzt sausen beide mit Karacho an den anderen Piraten vorbei. Zwei Matrosen können sich noch im letzten Moment in Deckung bringen, bevor die Kanone mit einem Knall und der arme Torben Tollpatsch mit einem dumpfen – PATSCH – gegen die Bande des Schiffs krachen.
Die anderen Matrosen können sich vor Lachen kaum halten. „Das war ja eine saubere Bruchlandung, mi Jung! Das sind Kanonen und keine Pferde!“ bricht das Gelächter aus dem dicken Piraten Kunjard Kampfwurst heraus.
„Na warte.“ denkt sich Torben Tollpatsch und rappelt sich auf. Als er die Kanone wieder am richtigen Platz hat springt er mit Absicht auf das Rohr, als wolle er das Ungetüm reiten. Dann schnappt er sich die Lunte, zündet das Feuer und macht sich bereit.
Als alle Kanonen ausgerichtet sind, ist das Schiff nah genug an der Insel um die erste Salve abzugeben. Nun zünden auch die anderen Piraten die lodernden Feuer und machen sich bereit.
„Feuer frei!“ donnert des Kapitän‘s mächtige Stimme über die Planken. Die Lunten werden gezündet und mit einem ohrenbetäubenden Getöse schleudern die Kanonenkugeln aus den Stahlrohren ins Freie.
Dabei hüpfen die Kanonen ein Stück weit nach hinten. Torben Tollpatsch reißt einen Arm hoch und ruft: „Jiiihah.“ Während er auf der Kanone sitzt wie ein Cowboy beim Rodeo.
Die anderen Matrosen und Piraten staunen nicht schlecht über den kühnen Piratenjungen. Vor allem nicht, als sie sehen, dass Torben‘s Hintern Feuer gefangen hat. Mit großen Augen schauen ihn alle an.
Torben selbst bemerkt davon noch nichts und sitzt stolz wie Oskar auf der Kanone. „Na? Das habt ihr mir nicht zugetraut was?“ prahlt er. Doch dann nimmt er den Geruch von verbranntem Fell wahr.
Er schnüffelt und schnüffelt – guckt sich um – und schnüffelt weiter. „Was beleidigt denn hier meinen Geruchssinn?“ fragt er noch, als er plötzlich das Feuer an seinem Hintern entdeckt.
Erschrocken springt er hektisch in das nächste Wasserfass. Nach einem lauten „Platsch Pfffffffff“ sieht man nur noch Dampf aufsteigen. Klitschnass sitzt der arme Tollpatsch im Fass. Und alle können wieder herzhaft lachen.
Unterdessen hat auch die Meerjungzippe die gewaltige Knallerei gehört und ist erschrocken ins Wasser gehüpft. Die Flaschenpost mit dem zweiten Teil der Schatzkarte hat sie dabei fallen lassen.
Als die Piratin Marla Mutig das gesehen hatte, sprang sie verwegen über die Planke um die Boddel zu holen. Jetzt wird sie auch vom Ausguck erspäht. „Hase über Bord!“ ruft Willi Weitsicht gerade, als er plötzlich bemerkt, dass sich einer der heimtückischen Schatzkartendiebe über das Hauptsegel anschleicht.
Unten an Deck fliegt dem Kapitän inzwischen ein großes Stück Holz am Kopf vorbei. Verwundert dreht er sich um und sieht die Krake von vorhin. Anscheinend hat sie das Stöckchen gefunden und will, dass der Kapitän es noch einmal wirft.
Unterdessen steht auf dem Mast nun der Schurke mit gezogenem Säbel direkt vor Willi Weitsicht und nuschelt: „Aus dir mach ich Schaschlik am Spieß.“ Doch da schallt es vom Deck: „Segel lichten ihr Wasserratten!“ brüllt der Kapitän.
Dieser hatte das andere Piratenschiff nämlich längst bemerkt und fackelt nicht lange. Sofort lichten die Matrosen die Segel und der Angreifer wird vom Hauptmast gefegt wie Spinat vom Küchentisch. Mit einem Bauchklatscher landet der Schurke im Meer.
Die Krake springt sofort vergnügt hinterher. Sie hält den Schurken wohl für ein Stöckchen. In seiner Haut möchte man jetzt nicht stecken. Es dauert nur einen kurzen Moment und der Schurke fliegt schreiend in hohem Bogen über das Piratenschiff. Da hat es die Krake wohl zu gut gemeint mit dem Schwung.
Nachdem der Schurke am Kapitän vorbei geflogen ist, schnappt sich dieser das Fernrohr und sucht in der Weite nach Marla Mutig im Wasser. Er kann sie aber nicht finden.
„Marla komm schon - wo steckst du? Eine Wasserratte wie du ist doch nicht abgesoffen.“ tuschelt er vor sich hin. Der Kapitän weiß, dass sie sich beeilen müssen, wenn sie den Schatz zuerst finden wollen. Und da ist Marla Mutig seine beste Chance.
Der Kapitän kann die Piratin aber auch gar nicht im Wasser finden. Denn inzwischen hat sie die Flaschenpost eingesammelt und ist zur Insel geschwommen. Sie will die Flaschenpost gerade öffnen, als sie es sieht.
Gerade noch zum Greifen nah, scheint plötzlich alles vergebens. Der zweite Teil der Karte ist nicht mehr lesbar. Die Meerjungzibbe hatte die Flaschenpost geöffnet, bevor sie ins Wasser sprang. Jetzt ist die Schatzkarte mit Salzwasser durchtränkt. Die ganze Tinte ist verlaufen und der Schatz scheint verloren.
Marla starrt die Karte an und fällt auf die Knie. War jetzt alles um sonst? Zu dem Salzwasser auf der Schatzkarte gesellen sich jetzt auch noch Marla’s Tränen. Sie schluchzt und weint. Sollte jetzt tatsächlich alles vorbei sein?
Doch wie es der Zufall will, gibt es ein Happy End. Denn als Marla Mutig hoch schaut sieht sie die Schatztruhe direkt vor sich stehen. Die Meerjungzibbe hatte den Schatz schon gefunden. Sie saß vorhin darauf, ohne dass es den Piraten aufgefallen ist.
Marla Mutig wischt sich die Tränen weg und holt den goldenen Schlüssel aus der Flasche. Dann steckt sie ihn ins Schloss der Truhe – der Schlüssel passt. Mit einem „Knack“ springt das Schloss auf. Damit ist das Rennen gelaufen – denn der Piraten-Kodex gebietet, wer es zuerst gefunden hat, darf es behalten.
Der Kapitän hat nun auch Marla Mutig und den Schatz auf der Insel erspäht und ruft der Besatzung zu: „Wir haben den Schatz gefunden! Heute gibt es Karotten für alle und im Überfluss!“ Voller Freude springen die Piraten jubelnd auf und nieder.
Die heimtückischen Schurken hingegen sehen nicht gerade freudestrahlend aus. Nach dem Piratenkodex zur Folge haben Sie das Rennen um den Schatz verloren. Und so ziehen sie ungetaner Dinge und ohne Beute ab.
Marla hat inzwischen die Schatztruhe durchwühlt. In der Kiste befinden sich säckeweise Gold, Schmuck und Juwelen. Am auffälligsten aber ist ein Ring mit einem Diamanten der doppelt so groß ist wie Marla’s Pfote.
Als die anderen Piraten endlich die Insel erreichen, ist die Freude immer noch groß! Es wird gejubelt und gefeiert bis die Sonne untergeht. Wieder mal wurde ein Schatz gefunden. Nur der Ring mit dem großen Diamanten ist verschwunden. Na, wer den wohl hat?
Autor: Jens Pätz