Das Spukhaus

Halloween Special

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Spukhaus bei Nacht aus der Gruselgeschichte Spuk aus der Tiefe von Jens Pätz auf schlummerienchen.de

In einem kleinen Vorort stand einst ein altes, verlassenes Haus. Die Fenster waren zerbrochen, die Türen knarrten und der Garten war von wildem Unkraut überwuchert.

Die Menschen nannten es das "Spukhaus", denn es wurde gemunkelt, dass dort ein geheimnisvolles Gespenst sein Unwesen trieb.

Kinder wagten es nicht, in die Nähe des Spukhauses zu kommen. Erwachsene erzählten sich gruselige Geschichten über das unheimliche Wesen, das dort angeblich schon oft gesehen wurde. Die Geschichten um das Haus waren abenteuerlich.

Beim Fußballtraining der Kinder erzählten sich die Väter gegenseitig, was sie für komische Dinge im Haus und um das Haus herum gesehen hätten. Gardinen, die sich an den Fenstern von selbst auf und zu zogen. Büsche, die selbstständig ihren Platz im Garten wechselten.

Im Buchklub erzählten die Mütter von kreischenden Geräuschen und dumpfen Polterlauten, die aus dem Haus ertönten, als sie mal Vorbeigegangen waren.

Doch egal wie gruselig die Geschichten auch waren, der kleine Tim war fasziniert von dem Haus. Er belauschte die Gespräche der Erwachsenen schon lange. Jemand musste doch mal herausfinden, was dort los war, dachte er sich jedes Mal.

Eines Tages beschloss Tim tatsächlich, der Sache auf den Grund zu gehen.

Begleitet von seinem treuen Hund Max machte sich Tim am späten Nachmittag auf den Weg zum Spukhaus. Die Bäume flüsterten geheimnisvoll. Die Dunkelheit schien sich um sie herum zu verdichten. Tim spürte, wie ihm ein kalter Schauer über seinen Rücken lief.

Als sie das Spukhaus betraten, knarrten die Dielen unter ihren Schritten. Tim führte Max durch die dunklen Flure und suchte nach Hinweisen auf das geheimnisvolle Gespenst. Plötzlich hörten sie ein leises Flüstern und eine kühle Brise wehte ihnen ins Gesicht. Dann erschien vor ihnen ein schwacher Lichtschein.

Neugierig folgten Tim und Max dem Licht in einen geheimen Raum. Dort stand ein altes Gemälde in der Ecke, auf dem ein Mädchen und sehr merkwürdige Schmetterlinge zu sehen waren. Und es lag ein altes Buch auf einem verstaubten Tisch. Sonst war nichts in dem Raum.

Tim öffnete das Buch. Aber es war leer! Die Enttäuschung war groß. Doch dann begann Max zu wuffen. „Was ist denn, Max?“, fragte Tim etwas genervt darüber, dass das Buch ein Flopp war. Aber Max kratzte beharrlich am Tisch.

„Das Buch ist leer! Das bringt uns auch nicht weiter“ Tim nahm das Buch in beide Hände. „Siehst du?“, polterte er – doch dann bekam er große Augen. Es begannen sich Buchstaben auf dem Papier zu bilden. Sie erschienen aus dem Nichts. Als würde jemand, genau in diesem Moment, in das Buch hinein schreiben. „Ich bin das einsame Gespenst, das in diesem Haus lebt. Mein Name ist Amelia. Ich habe so lange auf jemanden gewartet, der mich besucht. Aber ich kann das Spukhaus nicht verlassen, da ich an einen Fluch gebunden bin.“

Tim war ganz aufgeregt und beschloss Amelia zu helfen. Er las weiter und fand heraus, dass der Fluch nur gebrochen werden konnte, wenn jemand einen wertvollen Gegenstand in Amelias Namen an einem besonderen Ort vergrub.

Die letzte Seite des Buches hatte einen kleinen Riss. Dort schien etwas versteckt zu sein. Vorsichtig riss Tim den Bucheinband etwas weiter auf. Max hechelte nervös. Ein gefaltetes Stück Papier kam zum Vorschein. Es war eine Art Schatzkarte. Wie von einem Kind ganz krakelig selbst gezeichnet. Dort musste der Ort zu finden sein, dachte Tim. Aber was sollte er vergraben?

Tim machte sich sofort auf die Suche nach diesem Ort. Gemeinsam mit Max durchstreifte er den gruseligen Garten des Spukhauses. Sie folgten der mysteriösen Karte und gruben schließlich an der markierten Stelle. Auch Max half ordentlich mit. Dann hörte er plötzlich auf und schnüffelte nur noch. Es lag bereits etwas vergraben dort – ein altes Amulett.

Das ist komisch, dachte Tim und kratzte sich am Kopf. Er hielt das Amulett in die Luft: „Schau mal Junge, also wenn das nicht etwas wertvolles ist, oder?“ Max bellte. „Sehe ich auch so“, sagte Tim und vergrub das Amulett erneut an derselben Stelle, aber dieses Mal  - wie es im Buch beschrieben worden war – in Amelias Namen.

Der Garten des Spukhauses erbebte. Tim ließ vor Schreck die Schaufel fallen. Der ganze Boden bewegte sich. Er schnappte sich Max und wollte ins Haus rennen, fiel aber über einen Busch. „Aua!“, rief er und rieb sich den Po beim Aufstehen, „Wo kommt der denn her?“ schnell lief er weiter ins Haus.

Im Haus angekommen, erfüllte ein helles Licht den Raum, und Amelia erschien vor ihnen. Tim hielt sich die Arme vors Gesicht und Max legte die Pfoten auf die Augen. Doch Amelia tat ihnen nichts. Sie war kein furchteinflößendes Gespenst, sondern ein freundliches Mädchen in einem weißen Kleid. Max stellte die Lauscher auf und auch Tim staunte nicht schlecht. Es war das Mädchen von dem Gemälde aus dem geheimen Raum.

Amelia lächelte dankbar und erzählte Tim, dass sie vor langer Zeit in dem Spukhaus gefangen worden war. Doch dank seiner Tapferkeit und Hilfsbereitschaft sei der Fluch nun gebrochen, und sie konnte endlich frei sein.

Nur verschwand Amelia nicht, wie Tim sich das gedacht hatte. Er dachte sie würde jetzt in einem hellen Licht in den Himmel gleiten. Aber nichts dergleichen geschah.

Amelia streckte ihre Arme aus und begutachtete sie. Kein gleißendes Licht. Sie löste sich nicht auf oder so. Tim sah Amelia an, dass auch sie verwundert war. Amelia konnte sich nun frei bewegen, aber offensichtlich sollte sie auf der Erde bleiben.

Tim und Amelia machten das Beste daraus. Beide setzten sich gemütlich mit Max ins Wohnzimmer und lernten sich kennen. Amelia und Tim waren gar nicht so verschieden. Also, bis auf die Tatsache natürlich, dass Amelia ein Geist war. Aber sie konnten über dieselben Dinge lachen. Und mitten im Lachen bemerkten sie plötzlich ein seltsames Flüstern, das von den dunklen Ecken des Raumes zu kommen schien. Max knurrte leise und zeigte mit zitterndem Schwanz in Richtung des Flurs.

Nun schien plötzlich noch etwas ganz anderes im Haus zu sein, außer Amelia. Und dieses Etwas war nicht erfreut darüber, dass Amelia befreit worden war. Ein unheimliches Gefühl breitete sich in der Luft aus. Es wurde kalt. Dann ein lautes Poltern. Es kam aus dem Keller des Hauses.

Tim blieb beinahe das Herz stehen. Wann hatte das alles endlich ein Ende? Die beiden machten sich auf den Weg in den Keller. Amelia schwebte vor weg, gefolgt von Tim und der wiederum gefolgt von Max, der mutig an Tims Seite blieb. Die Treppe knarrte bedrohlich, als sie hinabstiegen. Amelia erschrak jedes Mal. Sie kannte das ja nicht, dass man irgendwo drauf tritt und es knarrte. Sie war ein Gespenst – sie flog.

Als sie den Keller betraten, wurde das Flüstern lauter. Dort unten im Keller stand eine dunkle Gestalt, die im schwachen Licht der Taschenlampe sichtbar wurde. Es war ein Schatten, der sich vor ihnen bewegte und eine unheilvolle Aura ausstrahlte. Aber dieses Wesen schien nichts zu machen, als würde es auf etwas warten.

Max knurrte. „Stimmt mein Junge“, flüsterte Tim, „Das ist echt unheimlich!“ Warum war die Taschenlampe auf einmal so schwach? Tim schlug die Lampe gegen seine Hand: „Komm schon du doofes Ding. Jetzt mach doch mal richtig Licht“ Immer wieder schaute er zu dem unheimlichen Schatten auf, doch der bewegte sich nicht mehr. Was sollten Tim und Amelia jetzt tun? Das flüstern wurde lauter und es kam eine Melodie hinzu. Im Keller hörte man nun ein Lied, wie von einer Spieluhr. Tim fand das gar nicht mehr lustig. Er suchte hektisch nach irgendetwas, dass helfen könnte. Und auch Max machte sich bereit zuzuschnappen.

Nur Amelia war sehr ruhig. Fast schon zu ruhig. Sie stand einfach nur da und bewegte sich keinen Millimeter. Sie spürte jetzt, was dieser Schatten war. Sie erinnerte sich, wie sie vor langer Zeit in dem Haus gefangen genommen wurde und wie dieses Etwas sie dort gegen ihren Willen fest hielt. Das Wesen war ein böses Geistwesen, das das Haus jahrelang beherrscht hatte. Es war eifersüchtig auf Amelias Befreiung und wollte sie wieder in die Dunkelheit zurückbringen.

Amelia versuchte Tim zu warnen: „Ähm…Tim? Hallo, könntest du mal kurz zuhören?“, sagte sie ängstlich, als auch schon eine eisige Kälte den Raum durchdrang. Das Flüstern wurde bedrohlicher. Vor Amelias Augen wurde der böse Geist sichtbar, in seiner ganzen gruseligen Erscheinung.

Mit einem düsteren Lachen begann er, sich um Tim und Amelia zu winden und sie mit seiner unheilvollen Aura zu umhüllen. Er zeigte seine Macht, indem er Gegenstände durch den Raum schleuderte und Bilder von der Wand fallen ließ. Tim und Amelia hatten Angst.

Nur das kleine Fellknäul Max nicht. Der kleine Hund bellte und schnappte immer wieder nach dem Wesen. Natürlich konnte Max keinen Geist beißen, aber er nahm Anlauf und sprang tapfer durch ihn hindurch. Dabei landete er auf einem Stabel alter Bücher, die umfielen. Eines der Bücher hatte sich geöffnet. Es war ein Bilderbuch mit einer Kindergeschichte.

Plötzlich ließ das Wesen Tim und Amelia los. Es starrte auf das offene Kinderbuch. Sein flüstern wurde zu einer Stimme: „Valentina?“, fragte das Wesen traurig. Es Strich über die Buchseiten, auf denen ein Bild gemalt war, in dem sich ein bunter Schmetterling aus einem Spinnennetz befreit. „Der Schmetterling ist wieder frei mein Schatz!“, flüsterte das Wesen freundlich aber auch irgendwie traurig.

Tim starrte fragend auf den Geist und das Buch. Aber Amelia kannte nun die Wahrheit. Das Wesen war ein sehr alter Geist. Gefangen in diesem Haus aus Trauer und Wut, weil sein geliebtes Kind Valentina – seine Tochter eines Tages einfach verschwunden war. Der Vater blieb in dem Haus allein zurück. Er wartete Jahr um Jahr, falls seine Tochter wiederkehren würde. Doch sie blieb verschwunden, wie schon die Mutter zuvor. Und als er nach seinem Leben als Geist im Haus umherspukte, dachte er seine geliebte Tochter wäre endlich zurückgekommen, als Amelia das Haus betrat.

Doch nun kam die Erinnerung bei dem dunklen Wesen zurück, als es das Buch sah. Dieses Buch hatte der Vater seiner Tochter Valentina jeden Abend vorgelesen. Valentina war immer traurig, als der Schmetterling gefangen wurde und dann wieder glücklich als sich der Schmetterling befreien konnte.

„Der Schmetterling ist wieder frei mein Schatz!“, sagte das Wesen noch einmal freundlich, bevor es einfach verschwand.

Tim wusste nicht so recht was los war und nun begann auch noch Amelia sich langsam aufzulösen. Sie betrachtete ihre Arme. Die Arme strahlten in einem grell weißen Licht, das auf den ganzen Körper überging. „Danke Tim und auch dir Max“, sagte Amelia mit einem Lächeln, „Es ist alles gut! Ich hoffe wir werden uns eines Tages wiedersehen“ Dann war auch Amelia verschwunden.

Nun saß Tim alleine mit Max im feuchten, dunklen Keller. Max leckte sein Gesicht ab. „Bäh, hör auf damit“, sagte Tim und stand auf. Er klopfte seine Hose sauber, schaute sich nochmal um und blickte dann zu Max runter: „Na, habe ich doch gesagt. Das wird ganz easy! Gar kein Problem!“ Dann ging er die Kellertreppe hoch, während er weiter sprach: „Aber was DU für eine Angst hattest, Max“, lachte er, „Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Aber zum Glück war ich ja da mein Freund. Ich hatte alles unter Kontrolle. Halt dich nur an mich, dann bist du immer fein raus mein Guter“

So sprach er weiter und weiter…ach ja, der Tim. Max kannte das schon. Er schüttelte seinen Hundekopf und trottete seinem Herrchen mit einem Augenrollen hinterher.

Autor: Jens Pätz

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